Till Eulenspiegel: Freidenker und lustiger Spötter

Till Eulenspiegel: Freidenker und lustiger Spötter

Für die Deutschen ist Till Eulenspiegel ein Nationalheld, schon allein deshalb, weil er auf seinen Wanderungen im 15. Jahrhundert fast alle wichtigen Orte des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation besucht hat.

Fernab der Kindergeschichten in den Originalausgaben ist der Humor von Till Eulenspiegel jedoch oft düsterer und bedrohlicher. Denn Eulenspiegel ist nicht nur ein Witzbold und lustiger Spötter: Er ist auch zynisch, rebellisch, nihilistisch und solidarisch mit den Unterdrückten.

Die Originalversion zeigt Till Eulenspiegel als brutalen Freidenker, der in eine für ihn zu enge Welt gedrängt wurde.

Der Schalk, der in Niedersachsen zu Hause war

Die älteste Version seiner Geschichte wurde etwa um 1510 anonym unter dem Titel “Ein kurtzweilig Lesen von Dyl Ulenspiegel, geboren uß dem Land zu Brunßwick, wie er sein Leben vollbracht hatt…” veröffentlicht – Ein amüsantes Werk über Till Eulenspiegel, geboren in Braunschweig, wie er sein Leben geführt hat. Die Komposition wurde Hermann Bote zugeschrieben, was jedoch heute sehr umstritten ist.

Johannes Grieninger druckte die Geschichte etwa 1515 und machte sie für die Öffentlichkeit zugänglich.

Dieser Version zufolge wurde Till der Schalk im Jahr 1300 in der Region Niedersachsen im Ort Kneitlingen geboren. 1350 starb Till Eulenspiegel in Mölln, wo ein Gedenkstein an den umtriebigen Schalk erinnert.

Es gibt jedoch bis heute keine genauen Beweise für die historische Existenz von Eulenspiegel, was ihn nicht davon abhielt, europaweit berühmt zu werden. Seine Streiche bestanden oft darin, einen bildlichen Ausdruck wörtlich zu nehmen, um sich über die Eigenarten seiner Zeitgenossen und die Missstände seiner Zeit lustig zu machen. Die ursprüngliche Geschichte, die für Niedersachsen typisch ist, wurde ab dem 16. Jahrhundert in mehrere Sprachen übersetzt. Später wurde sie durch neue Versionen verändert, die den Narren immer sympathischer machten.

Eulenspiegel war schon als Kind ein Schelm und Schurke

Till war schon von klein auf ein Schelm und Schurke: Als Kleinkind, das auf dem Rücken des Pferdes von Vater Claus saß, zeigte er allen Bauern seinen Hintern und beschwerte sich dann, dass ihn alle einen Schurken und Tunichtgut nannten.

Er lügt und betrügt, ist ein Dieb und Vandale, und in seiner Zwölf-mal-zwei-Glückszeit bringt er seine Arbeitgeber zur Verzweiflung, indem er ihre Befehle und Flüche wortwörtlich nimmt und buchstäblich ausführt. Eulenspiegel ist mit starkem Charakter und hellem Verstand ausgestattet und kann der “Schalkheit zu tun” nicht widerstehen. Nicht aus Rache, nicht um Geld zu verdienen, sondern einfach, weil es ihm Spaß macht, Menschen zu ärgern und Dinge wortwörtlich zu nehmen.

Wieso eigentlich der Name Till Eulenspiegel?

Der deutsche Name Till Eulenspiegel oder auch bekannt als Dyl Ulenspegel beinhaltet die Eule und den Spiegel, die berühmten Statussymbole der Figur. Mit diesen Symbolen steht er in einer kritischen Tradition, die im Mittelalter durch die Figur des Narren, der Weisheit besitzt, häufig vertreten war.

Die Eule ist das Tier, das im alten Griechenland für Weisheit stand, aber im Mittelalter ein Geschöpf des Teufels und des Spottes war.

Das Thema des Spiegels verweist auf die Umkehrung sowie auf das Thema des Porträts von Zeitgenossen. So enthüllt der Narr durch seine Abenteuer oder Äußerungen eine soziale Wahrheit, stellt aber auch literarisch die bestehende Ordnung auf den Kopf, indem er die Mächtigen verspottet.

Wir haben also einen Schelm und Schurken, der mit einer Eule und einem Spiegel herumläuft, mit denen er seine Zeitgenossen lächerlich macht. Der Grund der Namensgebung ist jedoch viel trivialer. Tatsächlich kommt “ulen” von einem niederdeutschen Verb, das “abwischen” bedeutet und “spegel” bedeutet “Hinterteil”.

Der wörtliche Titel sollte also lauten: “Leck mich am Allerwertesten”! Und diese Bezeichnung passt ausgezeichnet zu den Erzählungen und Streichen von Till.

Jeder kennt die Till Eulenspiegel Geschichten

In einer raschen Abfolge von verschiedenen Till Eulenspiegel Geschichten wird dem Leser ein komplettes soziologisches Panorama präsentiert, in dem der Held abwechselnd Wortschmied, Akrobat, Gauner, Tyrann und Schurke ist: Niemand bleibt von seinem beißenden Spott verschont, und Menschen aus jeder Schicht verfangen sich in seinem Netz des Spottes.

Oft sind sie Opfer des vom Eulenspiegel praktizierten Prinzips, dass bildliche Aussagen wörtlich genommen und ausgeführt werden. Ein Schneider weist ihn zum Beispiel an, “Ärmel an einen Mantel zu werfen”. Nachdem Eulenspiegel die ganze Nacht vergeblich versucht hatte, durch Werfen einen Mantel herzustellen, erklärte ihm sein Chef am nächsten Morgen, dass er die Ärmel hätte annähen müssen.

Auch H.C. Andersens ließ sich wie viele andere Schriftsteller und Berühmtheiten von Till inspirieren. Seine Idee zu “Des Kaisers neue Kleider” basiert zweifellos auf der Geschichte von Tills Karriere als Maler am hessischen Hof: Nach einem wochenlangen Festmahl auf Kosten des Landgrafen zeigt Eulenspiegel eine weiße Leinwand und sagt, dass niemand, der untreu ist, sie sehen darf.

Schön ist auch Tills Auftritt als Krankenhausarzt in Nürnberg. Indem er den Patienten zuflüstert, dass er die schwächsten von ihnen zu Pulver verbrennen wird, um die anderen zu heilen, gelingt es ihm, alle bettlägerigen Menschen aus dem Krankenhaus zu holen, zumindest für ein paar Tage.

Auf jeden Fall kann man den Einfallsreichtum von Till nur bewundern, der sich immer wieder neue Wege einfallen lässt, um Menschen zu verspotten und zu verärgern.

Wie Till Eulenspiegel einem Esel das Lesen beibrachte

Einmal kam Till Eulenspiegel ohne einen Pfennig in der Tasche nach Erfurt, wo sich eine berühmte Universität befand, mit ein paar sehr gelehrten Professoren. Sie hatten viel über Tills Cleverness gehört und beschlossen, herauszufinden, was an dieser Aufgewecktheit dran ist.

Sie luden ihn zu ihrer Versammlung ein, und der Rektor sagte: “Sie sagen, du kannst alles; sag uns, kannst du einem Esel das Lesen beibringen? – “Gewiss, meine Herren, aber das braucht Zeit. Ich bin bereit, das zu tun, vorausgesetzt, Sie sorgen in der Zwischenzeit dafür, dass ich leben kann.” – “Einverstanden”, sagte der Rektor.

Till bekam einen Esel und der Witzbold ging mit seinem Schüler zum wichtigsten Hotel der Stadt. Er bat um das beste Zimmer im Hotel für sich und einen separaten Stall für den grauen Gesellen. Die Professoren würden für alles aufkommen. Der Hotelbesitzer erkundigte sich bei der Universität und der Rektor sagte, die Angelegenheit sei in Ordnung.

Nun, dann begann für Till ein gutes Leben. Er bekam so viel zu essen und zu trinken, wie er wollte. Er band den Esel im Stall vor eine Krippe: In die Krippe legte er ein großes altes Buch und zwischen die Seiten streute er Haferkörner. Das war die einzige Arbeit, die Till machte: Er streute das Futter zwischen die Seiten des Buches und sorgte dafür, dass der Esel immer hungrig blieb. In der übrigen Zeit führte er nur ein faules Leben auf Kosten der Professoren.

Doch eines Tages kam der Schulleiter und fragte, wie weit der Esel fortgeschritten sei. “Er lernt”, sagte Till, “Sie sollten morgen Nachmittag kommen und es sich ansehen. Sie werden erstaunt sein.” Till gab dem Esel nichts mehr zu fressen, sodass er, als der Rektor wiederkam, völlig ausgehungert war. Till brachte ihn in den Stall und legte das große Buch in die Krippe, in der kein einziges Haferkorn lag. Sofort begann das Tier, die Seiten mit der Nase umzublättern, fand aber nichts und brüllte dann jämmerlich auf: “I-a, I-a”, so fuhr er fort.

“Sie sehen, er hat gute Fortschritte gemacht”, sagte Till. “Aber er sagt nichts anderes als i-a, das ist kein Lesen. – “Es ist ein Anfang”, sagte Till lachend, “Er kann bereits zwei der sechsundzwanzig Buchstaben lesen und er wird die anderen vierundzwanzig lernen, wenn du mir Zeit gibst.” Der Rektor begann zu lachen. “Du hast dich ganz schön ins Zeug gelegt, du Genie”, sagte er, “aber ich fürchte, die Rechnung wird zu hoch sein, wenn wir dich weiter unterrichten lassen, bis der graue Geselle genug gelernt hat. Lebt wohl!”

Till ließ sich noch ein letztes Mal bedienen und setzte dann gut gelaunt seinen Weg zu weiteren fröhlichen Abenteuern fort.

Till war talentiert, reiselustig und scherzte bis zum Tod

Till ist reichlich mit Talenten gesegnet: Er tritt als Seiltänzer, Küster, Arzt, Bäcker, Wächter, Maler, Gelehrter, Schmied, Schuhmacher und Schneider, als Brillenmacher und als Koch auf. Er reiste durch ganz Europa: Von seiner niedersächsischen Heimat ging er nach Magdeburg, Hildesheim, nach Polen und Prag, zurück nach Nürnberg und Bamberg und sogar nach Rom. Till und verbreitete seinen rohen Scherz in breiten Teilen Europas.

Auf seinen langen Reisen lernt Eulenspiegel nicht nur viele Berufe und fast alle großen Städte Europas kennen, sondern begegnet auch einer ganzen Reihe von Gesellschaftsschichten. Schließlich landete Eulenspiegel in Mölln. Zur Strafe für seinen ewigen Spott wurde er aufrecht begraben, obwohl nach einer anderen Version Eulenspiegels letzter Scherz mit dem Tod war: Nach seinem Tod wurde er in einen Sarg gelegt, aber als man ihn in sein Grab hinablassen wollte, flog der Deckel vom Sarg und ein grinsender Till erschien.

Der Schelm und Schurke lehnte die Ehre eines Begräbnisses ab und machte sich wieder auf den Weg in die weite Welt. Seitdem hat man nichts mehr von ihm gehört…

Foto: pixabay.com

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